Praktikum


Ich habe einen Praktikumsplatz in Horb erhalten. Am 10. Juli geht es dann los, und ich werde hier Bericht erstatten.

Der Praktikumsplatz bei der Firma Dartsch Scientific in Horb ist sehr spannend. Die Firma untersucht, wie bestimmte Stoffe auf Zellen wirken, ob diese giftig oder förderlich für den Stoffwechsel sind. Hierzu gibt es einige standartisierte Versuche, wie zum Beispiel den Glucosetest, oder den Zellaktivitätsnachweis mittls XTT und WST-1.
Beim Glucosetest wird ein Teil des Zellmediums abpipettiert, verdünnt und mit einer Substanz vermischt, die bei Kontakt mit Glucose eine Reaktion verursacht, welche eine Farbe produziert, die man mit dem Photometer colorimetrisch bestimmen kann.
XTT und WST-1 sind Tetrazoliumsalze, die von den mitochondrialen Dehydrogenasen (XTT) oder durch die gesamten Redox-Vorgänge in der Zelle (WST-1) gespalten werden, so dass wiederum ein Farbstoff entsteht.
Beim Glucosetest gilt: je mehr Glucose vorhanden ist, desto schlechter geht es den Zellen. Bei XTT und WST-1 ist es andersherum, je Größer die optische Dichte, desto aktiver ist die Zelle.
Dartsch Scientific hat auch einen Versuch, der sich oxidative Burst nennt. Hier geht es um basophile Granulozyten, das sind Leukozyten, also weiße Blutkörperchen, die phagozytierend sind. Das heißt, sie schließen Fremdorganismen, wie zum Beispiel Bakterien, in sich ein, und bilden dann Sauerstoffradikale die hochgradig reaktiv sind und den Fremdorganismus "auseinandernehmen". Man kann diesen Vorgang des Radikalbildens auch künstlich herbeiführen und so lassen sich dann Substanzen auf ihre Eigenschaften, Sauerstoffradikale zu neutralisieren, testen.
Schließlich hat die Firma noch ein Verauungsmodell, welches untersucht, was mit eingenommenen Stoffen im Körper passiert. Dafür werden synthetische Verdauungssäfte hergestellt, mit denen dann die zu testenden Substanzen konfrontiert werden.

Projekt: Bier

Nachdem mir eine Zelllininie (Chang Liver) zur Betreuung überlassen wurde, habe ich beschlossen, mit diesen Zellen eine Versuchsreihe durchzuführen:
Ich wollte mein Lieblingsbier, Alpirsbacher Spezial, gegen mein Hassbier, Oettinger, in Bezug auf die Auswirkung auf Chang Liver Zellen testen. Und das ging so:

Fragestellung

Wie wirken sich Proben der Biermarken Alpirsbacher Spezial und Oettinger Pils kurz- und langfristig auf den Stoffwechsel und die Zellvitalität von Chang Liver Zellen aus?

Durchführung

1. Tag

Aussaat der Zellen in eine 96-Loch-Platte für den basalen Stoffwechsel und in eine 12-Loch-Platte für die Zellvitalitätsbestimmung.

Die Kulturflasche, in der sich die Zellen befinden, wird aus dem Brutschrank genommen und unter dem Mikroskop begutachtet, ob mit den Zellen alles in Ordnung ist.

Kulturflasche Chang Liver Zellen

Sind die Zellen verwendbar, wird das Kulturmedium (MEM) unter sterilen Bedingungen aus der Kulturflasche abgesaugt und es werden 10 mL PBS- in die Kulturflasche gegeben, um Reste des Mediums aus den Zellen zu waschen. Dabei ist aber zu beachten, dass das PBS- auf die Decke der Kulturflasche gegeben wird, da sonst die adhärenten Zellen (Zellen die sich mittels Proteinen an die Oberfläche des Kulturflaschenbodens heften) durch die Einflussströmung des Phosphatpuffers vom Boden gespült werden.
Sind die Zellen gewaschen, wird das PBS- wieder abgesaugt. Nun werden 4 mL Trypsin in die Kulturflasche gegeben. Trypsin ist ein Enzym, das bewirkt, dass die Proteine, mit denen die Zellen am Boden haften, gelöst werden. Dieser Vorgang kann durch mechanische Stöße unterstützt werden. Jetzt sollte eine Zellsuspension vorliegen, was wieder unter dem Mikroskop untersucht wird.

Zellsuspension unter dem Mikroskop

Um das Flüssigkeitsvolumen in der Kulturflasche zu vergrößern, werden noch 10 mL MEM dazugegeben. Mit einer Pipette wird der Diffusion durch mehrmaliges Aufziehen und wieder Ablassen nachgeholfen, dann werden 4 mL der Zellsuspension mit einer Pipette in ein Röhrchen gegeben und weitere 4 mL ins Röhrchen pipettiert, nachdem eine Zählkammer mit zwei Tropfen aus dieser Pipette befüllt wurde.
Anschließend wird die Kulturflasche mit 20 mL MEM befüllt und wieder in den Brutschrank gestellt.

Neubauer-Zählkammer

Eine Zählkammer ist so beschaffen, dass sich ein bestimmtes Volumen an Zellsuspension in einer markierten Fläche befindet. So brauchen nur die Zellen unter dem Phasenkontrastmikroskop ausgezählt werden, um die Zellzahl im Volumen innerhalb der Markierung zu bestimmen.

Zellen in der Zählkammer

Ist die Zelldichte bestimmt, sind noch Berechnungen zur Aussaat nötig:
In der 12-Loch-Platte sollen 50000 Zellen pro Vertiefung sein, während eine Vertiefung 2 mL Zellsuspension beinhalten soll.
Die 96-Loch-Platte wird nur zur Hälfte mit 20000 Zellen und 200 μL pro Vertiefung befüllt. Für die 12-Loch-Platte braucht man also 600000 Zellen in 24 mL Zellsuspension und für die halbe 96-Loch-Platte werden 960000 Zellen in 9,6 mL Zellsuspension benötigt. Über die ermittelte Zelldichte in der Suspension wird berechnet, wie viele mL der Zellsuspension 600000 bzw. 960000 Zellen enthalten. Die errechneten Volumina werden je in eine Laborflasche pipettiert und dann mit MEM auf 24 bzw. 9,6 mL aufgefüllt.
Aus der jeweiligen Laborflasche werden die entsprechenden Mengen an Zellsuspension in die vorgesehenen Vertiefungen überführt, die Loch-Platten werden mit einem Deckel abgedeckt und im Brutschrank 24 Stunden inkubiert. Diese ganzen Arbeitsschritte werden unter sterilen Bedingungen getätigt.

12-Loch-Platte

2. Tag

Stoffzugabe für die Zellvitalitätsbestimmung (Proliferation) und basaler Stoffwechsel

Zuerst werden verschiedene Bierkonzentrationen per Verdünungsreihe mit dem Faktor 2 in 0,9%iger NaCl-Lösung hergestellt:
unverdünnt, 1:2, 1:4, 1:8 und 1:16
Dabei werden in jedem Eppendorfcup 750μL 0,9% NaCl vorgelegt und 750μL Bier werden ins erste Eppendofcup dazugegeben, dieses wird gemischt und wieder werden 750μL der ersten Verdünnung ins nächste Cup überführt, und so weiter. Für jede Biermarke wird eine Verdünnungsreihe angelegt.

Eppendorfcup

Stoffzugabe für die Proliferation

Aus jeder Vertiefung der 12-Loch-Platte werden 220μL des Mediums abpipettiert und 20μL Amphotericin, das fungizid ist, hinzugefügt. Schließlich werden noch 200μL der Bierverdünnungen in je eine Vertiefung pipettiert.

12-Loch-Platte

Da die Bierkonzentrationen durch die Zugabe ins Medium noch einmal 1:10 verdünnnt werden, liegen sie in den Vertiefungen nun als 1:10, 1:20, 1:40, 1:80, und 1:160 verdünntes Bier vor. Die Kontrolle enthält anstelle einer Bierverdünnung 200 μL 0,9% NaCl - Lösung. Die Zellen werden mit den Wirkstoffen für weitere 24 Stunden im Brutschrank bei 37°C und 5% CO2 inkubiert.

basaler Stoffwechsel

Das Medium wird aus den Vertiefungen der 96-Loch-Platten abgesaugt, die Zellen werden mit PBS- gewaschen und auch das PBS- wird dann wieder abgesaugt. Anschließend werden 80 μL PBS+/10mM Glucose auf die Zellen gegeben. PBS+/10mM Glucose enthält zusätzlich Ionen und 0,01 Mol Glucose pro Liter.
In jede Vertiefung werden dann noch 10 μL Wirkstoff pipettiert, so dass die Bierkonzentration in jeder Zeile ansteigt, also 0, 1:160, 1:80, 1:40, 1:20, und 1:10. Abschließend erhält jede Vertiefung noch 10 μL WST-1. Für jede Biermarke werden drei Zeilen angelegt, um mehrere Werte zu erhalten.
Nun wird die 12-Loch Platte in den Elisa-Reader gestellt, der so programmiert ist, dass er eine kineteische, colorimetrische Photometrie durchführt, das heißt, er misst die optische Dichte in den Vertiefungen bei 450 nm zwei Stunden lang einmal in der Minute und trägt diese in einem Diagramm auf.

96-Loch-Platte im Elisa-Reader 96-Loch-Platte

3. Tag

Auszählung der Zellen in der 12-Loch-Platte

Das Medium in der 12-Loch-Platte wird abgesaugt und die Zellen werden mit PBS- gewaschen, das wiederum abgesaugt wird. Anschließend wird in jede Vertiefung 1 mL Trypsin gegeben, die Zellen werden durch die Strömung des Aufsaugens und Auspressens mit einer Pipette vom Zellboden gelöst und mit 1 mL PBS- verdünnt. Die Zellsuspension wird in eine Zählkammer gegeben und die Zelldichte der jeweiligen Vertiefung wird bestimmt.

Auswertung

basaler Stoffwechsel

Je schneller die optische Dichte zunimmt, desto stoffwechselaktiver sind die Zellen. In einem Diagramm, in dem die Zunahme der optischen Dichte gegen die Zeit aufgetragen wird, ist die Steigung die Geschwindigkeit mit der die optische Dichte zunimmt. Der Mittelwert der Steigung aus den drei identischen Vertiefungen wird je Verdünnung mit dem Mittelwert der Steigung der Kontrolle verglichen und der prozentuale Unterschied in einem Diagramm festgehalten.

Diagramm für Alpirsbacher Spezial Diagramm für Oettinger Pils

Während der Stoffwechsel durch die niedrigen Konzentrationen gefördert wird, wird er bei den hohen Konzentrationen gehemmt.

Zellvitalität

Die ausgezählten Zellen je Verdünnung werden in einem Diagramm veranschaulicht:

 Diagramm zurProliferation

werden nun wieder die prozentualen Veräderungen gegenüber der Kontrolle in Diagrammen festgehalten, sieht das so aus:

Diagramm für Alpirsbacher Spezial Diagramm für Oettinger Pils

Auffällig ist, dass die Zellen in hohen Alpirsbacherkonzentrationen eine bessere mitotische Aktivität aufweisen, als in den niedrigen Konzentrationen, während es beim Oettinger genau umgekehrt ist.

Es soll nun die Vermutung überprüft werden, dass der Alkohol den basalen Stoffwechsel der Zellen in den hohen Bierkonzentrationen so sehr drückt. Hierzu wird eine neue Verdünnungsreihe pipettiert, die anstelle des Bieres Medium hat, jedoch den gleichen Alkoholgehalt der jeweiligen Bierverdünnung aufweist. Das wäre im Falle des Alpirsbacher Spezial unverdünnt 5,2 vol% und beim Oettinger Pils unverdünnt 4,7vol%.
Nun wird mit dieser Verdünnungsreihe und einer frisch ausgesäten 96-Loch-Platte eine Bestimmung des basalen Stoffwechels nur unter Alkoholeinfluss durchgeführt.

Das Ergebnis:

Diagramm für 5,2 vol% Diagramm für 4,7 vol%

Wider alle Erwartungen bremst der Alkohol den Stoffwechsel nicht ab, sondern beschleunigt diesen sogar. Das heißt, ein anderer im Bier enthaltener Stoff muss dafür sorgen, dass der Stoffwechsel durch Bier gehemmt wird. Um herauszufinden, welches dieser Stoff ist, müsste man die Zutaten des Bieres kennen und jede Komponente testen. Abgesehen davon, dass mir die genauen Zusammensetzungen der Biere unbekannt sind, habe ich im Praktikum zu wenig Zeit, als dass ich alle Substanzen testen könnte. Deshalb wird die Versuchsreihe hier abgeschlossen.

Ergebnis

Alpirsbacher Spezial:

Geringe Konzentrationen steigern den Stoffwechsel, wirken aber über längere Zeit hinweg tödlich für die Leberzellen. Je höher die Konzentration ist, desto weniger wirkt sie sich negativ auf die Zellvitalität aus, aber desto größer wird die Hemmung des Stoffwechsels.

Oettinger Pils:

Je höher die Konzentration ist, desto mehr werden die Zellen gehemmt, sowohl im Stoffwechsel, als auch in der mitotischen Aktivität.

Im Endeffekt hat das Oettinger Bier besser abgeschnitten, weil es den Stoffwechsel stärker pusht als das Alpirsbacher Bier, ich jedoch behalte meine Subjektivität und kröne das Alpirsbacher zum besser schmeckenden Bier.
Der Versuch hat auch gezeigt: Bier ist nicht schlecht für die Leber, man sollte es jedoch in Maßen (man beachte die Zweideutigkeit) genießen. In diesem Sinne: Prost!